In den vergangenen Wochen drehte sich bei mir im Kopf alles um die Darstellungsformen mentaler Probleme und den Fakt, dass so viele Spiele es noch immer nicht auf die Reihe bekommen (looking at you, Life is Strange). Ein Spiel, dass sich intensiv und mit einer völlig anderen Herangehensweise an dieses Thema beschäftigt, ist Nevermind.
Irre in Zwangsjacken, schreiende Menschen die sich tollwütig die Haare ausreißen. In den Medien, sei es im Videospiel oder auch im Film, wurden psychische Erkrankungen in der Vergangenheit alles andere als realitätsnah dargestellt. Depressionen, Bipolarität, Schizophrenie. All das ist schon lange keine Ausnahmesituation mehr, sondern ein fester Bestandteil unserer Gesellschaft. Ob man es glaubt oder nicht: Auch das sind vollwertige Menschen! Während Spiele wie Life is Strange eher dazu beitragen, diese Gruppen noch weiter in das Aus zu befördern, bemühen sich andere Spiele wie Fran Bow oder auch das kommende Hellblade, die Situation der Betroffenen für Außenstehende deutlicher zu machen. Im Fall von Nevermind übernehmen wir nicht die Rolle eines Patienten, sondern begeben uns in eine noch tiefere Ebene: Sein Bewusstsein. Als Arzt haben wir in Nevermind, dank neuster Technologie, die Möglichkeit, uns in die Köpfe von Patienten mit psychischen Traumata oder auch posttraumatischen Belastungsstörungen (PTBS) zu begeben. Anstatt das ganze nun in Form eines Walking Simulators simpel durchzuspielen, begebe ich mich mit Nevermind NOCH eine Stufe tiefer in diesen Bereich: Ich schließe mir einen Biofeedback Sensor an, der meinen Herzschlag direkt mit meiner Spielfigur verbindet. Auf einem kleinen Computer wählt der Spieler den Patienten aus, der "psychologische Abdruck" wird daraufhin geladen. Wir betreten einen Raum und befinden uns kurz darauf in der Psyche des Patienten, in der wir uns nun frei bewegen können. Nevermind unterstützt eine ganze Reihe verschiedenster Biofeedback Sensoren. Mit Hilfe des Sensors, den ich in meinen Fall per Clip an meinem Ohr befestige, überträgt er meine Herzfrequenz direkt in das Spiel. Das hat unmittelbare Folgen und beeinflusst meinen Spielverlauf. Mal mehr mal weniger. Atme ich ruhig und kontrolliert, so wird im oberen linken Fenster mein Herzschlag in Form eines grünen, hoffnungsvoll klopfenden Herzens angezeigt. Verfalle ich in Panik und/oder fange an unregelmäßig oder schnell zu atmen, so wird mein Herzsymbol tiefrot und der Bildschirm rauscht stark. Je nachdem in welcher Situation ich mich gerade befinde, hat das direkte Auswirkungen auf meinen Spielverlauf. Schaffe ich es beispielsweise nicht rechtzeitig mich zu beruhigen und regelmäßig zu atmen, dann läuft der Raum in dem ich mich befinde mit Wasser voll. Ein Game Over gibt es hier nicht. Um nicht noch heftigere Reaktionen bei Spielern mit psychischen Traumata oder PTBS auszulösen, gibt das Spiel Tipps zur Beruhigung und versetzt den Spieler für eine kurze Zeit in eine Art Beruhigungsraum. Es muss nicht zwingend mit einem Sensor gespielt werden.Wer also verzichten möchte, der kann das tun. Ich empfehle es trotzdem jeden, mit dem Biofeedback Sensor zu spielen. An dieser Stelle sei gesagt: Ich habe weder ein psychisches Traumata, noch leide ich an posttraumatischen Belastungsstörungen, auf die direkte Wirkung Betroffener kann ich in diesen Fall also nicht eingehen. Nichtsdestotrotz ist es ein schrecklich unangenehmes, jedoch faszinierendes Gefühl, direkten Einfluss auf das Spielgeschehen zu haben. Das es sich nicht nur unheimlich realistisch anfühlt, sondern Patienten mit besagten Störungen sogar aktiv hilft, hat das Entwicklerteam Flying Mollusk bereits durch einige akademische Studien herausgefunden:
Wir haben eine Vielzahl von Anekdoten der Spieler zurückbekommen. Viele berichten, sie fühlen sich ihrer Ängste und Stresskapazität mehr bewusst. Dies habe zur Folge, dass sie ihre Ängste und Stresslevel deutlich besser managen können nachdem sie einige Zeit mit dem Spiel verbrachten. Außerdem haben wir bereits einige akademische Studien vorliegen, die besagen, dass Nevermind vielversprechende Resultate in den angesprochenen Gebieten bringt. Eine 100 prozentige Aussage darüber ob-, und wie sehr das Spiel den Patienten wirklich hilft, können wir jedoch noch nicht treffen. Wir werden weiterhin mit akademischen und medizinischen Gemeinschaften in Kontakt stehen, um den positiven Einfluss des Spiels noch genauer zu untersuchen."
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