Montag, 4. Januar 2016

Alles geht im Kopf ab

Computerspiele verändern uns und unsere Psyche. Einige Erkenntnisse zur Wirkung der Spiele gibt es bereits: Das meiste geht im Kopf ab. Computerspiele können dabei zur Therapie eingesetzt oder zum Grund für eine Therapie werden.

 Wir spielen, weil wir Menschen sind. "Denn, um es endlich auf einmal herauszusagen, der Mensch spielt nur, wo er in voller Bedeutung des Worts Mensch ist, und er ist nur da ganz Mensch, wo er spielt," schrieb schon Schiller in "Über die ästhetische Erziehung des Menschen". Alles, was also zum Menschsein gehört, wird auch im Spiel und eben im Computerspiel ausgelebt, integriert oder dorthin übertragen.

Leben im Spiel, Spiel im Leben 

 In Computerspielen nimmt der Spieler Wissen und Gefühle mit in die virtuelle Welt oder überträgt solche aus dem Spiel in das wahre Leben. „Transfer" nennt sich dieses Phänomen, und bei Ludologen (von Ludologie, die Wissenschaft des Spiels) wird zwischen verschiedenen Arten des Transfers unterschieden: Aus dem Leben ins Spiel oder aus dem Spiel ins Leben. Bei einem emotionalen Transfer kann beispielsweise eine im Spiel entstandene Wut ins echte Leben transportiert werden, und der Gamer wendet das, was er spielend wahrgenommen hat, in seinem persönlichen Umfeld an. Bei einem ethisch-moralischen Transfer wird die Moral des Spielers beeinflusst, zum Beispiel also verstärkt oder abgeschwächt. In Folge eines assoziativen Transfers werden dagegen generelle Reizeindrücke der realen Welt mit Situationen aus Computerspielen verknüpft. Virtuell dargestellte Wälder können so Assoziationen beim realen Waldspaziergang auslösen.

Serious Games: Spiele zur Heilung 

 Ein Großteil der Transfereffekte konnte schon wissenschaftlich nachgewiesen werden, so zum Beispiel von Lager und Bremberg, die in insgesamt acht Studien eine Verbesserung der räumlichen Wahrnehmung beziehungsweise der Reaktionsfähigkeit durch digitale Spiele nachweisen konnten. Der Spieleklassiker Tetris hilft sogar nachweislich bei der Trauma-Bewältigung, wird es unmittelbar nach einer üblen Erfahrung gespielt fanden Wissenschaftler der University of Oxford heraus. Spiele, die für ernste Absichten entwickelt werden, nennen sich „Serious Games". Diese reichen von Lernspielen für Kinder und Jugendliche über Aufklärungsspiele bis hin zu Spielen, die Phobien heilen können. Kanadische Wissenschaftler modifizierten beispielsweise das PC-Game „Half Life" so, dass statt Soldaten Spinnen auf den Spieler losgehen. Damit halfen sie eigenen Angaben zufolge Menschen, die an einer Spinnenphobie leiden. Ähnliche Spiele werden auch bei anderen Phobien wie Platz- oder Flugangst eingesetzt.

Spiele, Flucht und Sucht 

 Die Transferwirkung kann aber nicht nur positive Effekte haben. Eine krankhafte Transferleistung kann auch in einer Sucht enden, bei dem das Spielen zum Zwang wird und die reale Welt durch die virtuelle ersetzt wird. Glaubt man der Medienberichterstattung und internationalen Aufklärungskampagnen, kann Spielsucht als eine große Gefahr angesehen werden - insbesondere für Jugendliche. So erschreckten schon Nachrichten von Todesopfern, die so sehr in ihre Spielwelt abdrifteten, dass sie schließlich daran starben. Computerspiele können süchtig machen. Das ist jedoch kein Massenphänomen. Die Zahl der Betroffenen ist nach wie vor gering. Längst nicht jeder Rollenspieler legt ein krankhaftes Verhalten an den Tag. Vielmehr entwickelt sich eine Sucht in der Regel nur dann, wenn Spieler zusätzlich die persönlichen Voraussetzungen für eine solche Sucht mitbringen. Depressionen und Phobien etwa begünstigen die Entwicklung einer Besessenheit ebenso sehr wie Probleme in der Familie. Meist handelt es sich dabei um den Versuch, der Realität zu entfliehen und mittels einer Online-Persönlichkeit ein „neues Leben" zu etablieren. Computerspielsucht ist bis heute nicht in den Katalog der psychischen Störungen aufgenommen. Vielmehr wird sie, abhängig vom konkreten Fall, als abnorme Gewohnheit, als Störung der Impulskontrolle oder als pathologisches Glücksspiel betrachtet.

Computerspiele und Gewalt 

 Ebenfalls häufig diskutiert wird die Frage nach den Zusammenhängen gewaltverherrlichender Computerspiele und gewalttätiger Jugendlicher. Doch auch hier sind konkrete Zusammenhänge schwer belegbar und ohne die Betrachtung des Kontexts unmöglich. Die Frage danach, ob die Spieler so genannter „Killerspiele" stärker zu Gewalt neigen, oder ob eine bereits vorhandene Gewaltneigung dazu führt, dass jugendliche Ego-Shooter-Spiele spielen, wird von verschiedenen Studien unterschiedlich beantwortet. Sicher scheint lediglich, dass es eine „Abwärtsspirale" gibt: Trifft Gewaltneigung auf Ego-Shooter, so verstärkt sich das aggressive Verhalten und die Folgen können fatal sein. Aber auch positive Wirkungen wurden nachgewiesen: So können „Killerspiele" auch dazu beitragen, Aggressionen abzubauen, Dampf abzulassen und Entspannung zu finden. Spiele gehören also tatsächlich zum Menschsein - mit all den guten und schlechten Seiten.

Ob Point-and-Click-Adventure oder ein interactives Musikvideo mit Videospiel-Elementen: Auch an der HdM entwickeln viele Studentinnen und Studenten immer neue Videospiele. Im nächsten und letzten Teil unserer Serie dreht sich alles um die Spielewelt an der HdM.

 Corinna Kübler, Claudia Langer


 Quelle https://www.hdm-stuttgart.de/view_news?ident=news20110830101536

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